Nicht Transylvanien, sondern die Steiermark war der Schauplatz der frühen Vampir-Literatur. Lernen Sie die schaurige Vergangenheit der Steiermark kennen, die die frühe Vampir-Erzählungen geprägt hat – von LeFanus “Carmilla” bis zu Bram Stokers “Draculas Gast”!

Vampirland statt Vulkanland

Auch die Riegersburg soll eine der Inspirationen für “Carmilla” gewesen sein. © Steiermark Tourismus / Manfred Polansky

Zerstörte Burgen, dunkle weitläufige Wälder, Isolation und Verfall – die heute so idyllische Steiermark sah vor zweihundert Jahren noch ganz anders aus. Dieser Ruf war bis in auf die englischen Inseln bekannt, denn das 19. Jahrhundert war in westlichen Ländern eine Zeit der Faszination mit dem Osten. Eine der Regionen, die besonderes Interesse weckten, war die Steiermark, die Österreich von Ungarn und dem Balkan trennte – also den Westen vom Osten. Das Vermischen fremder und bekannter Kulturen und die Ambiguität des Grenzgebiets gaben der Steiermark in den Augen westlicher Schriftsteller einen unheimlichen und ruhelosen Beiklang. Und welche Monster lauerte in den damaligen Erzählungen zwischen Graz und Feldbach? Blutsaugende Vampire. So wählten zwei Iren, Joseph Sheridan Le Fanu und Bram Stoker, die Steiermark als Schauplatz von zwei der frühesten Vampir-Erzählungen der Welt.

Vampire sind lesbisch

Illustration zu “Carmilla” von D.H. Friston in der Zeitschrift aus 1872

Le Fanus Novelle „Carmilla“, dessen Handlung auf dem fiktiven steirischen Schloss Karnstein verortet ist, erzählt die Geschichte einer jungen Frau namens Laura, die von der Vampirin Carmilla verführt wird. „Carmilla“ prägte viele folgende Vampirdarstellungen, insbesondere durch seine uncharmante Verbindung des bösen und unnatürlichen Vampirismus und lesbischer Anziehung.

Das echte Schloss Hainfeld © Haeferl unter CC BY-SA 4.0

Le Fanus Kenntnisse über die Steiermark lassen vermuten, dass er von dem Reisebericht des Schotten Basil Hall inspiriert wurde, der viele Monate im historischen Schloss Hainfeld im Raum Feldbach verbrachte. In der Wissenschaft wird gemutmaßt, dass „Carmilla“ auf die Besitzerin von Hainfeld, Jane Anne von Purgstall, zurückgeht. Die siechende Krankheit der Gräfin und ihre unorthodoxe Bestattung allein baten genügend Stoff für Vampirmythen. Als Protestantin konnte die Adlige nämlich eigentlich nicht mit ihrem katholischen Gatten begraben werden und wurde daher in einem kunstvollen verzierten Eisensarg in die Gruft beigesetzt. Um für diesen Platz zu schaffen, wurden dafür zuvor in einer Nacht-und-Nebel-Aktion andere Särge aus der Gruft entfernt.

Draculas Grazer Cousine

Inspiriert von Le Fanu spielte auch Bram Stokers „Dracula“ in seiner Urfassung in der Oststeiermark, bevor sich Stoker für den romänischen Dracula-Mythos und das zugehörige Transylvanien entschied. Das Einleitungskapitel „Draculas Gast“ wurde nach Stokers Tod als Kurzgeschichte veröffentlicht und erzählt von einem Briten, der während eines Sturms in einem Mausoleum Schutz sucht und dort auf die schreckliche Vampirin Gräfin Dolingen aus „Gratz“ in der Steiermark trifft.

Durch Vampirismus-Erzählungen wurde die vermeintliche Gefahr eines gesellschaftlichen Verfalls in Randgebieten und im Osten thematisiert. Gleichzeitig vermochten sie es, Lesern einen Schauer über den Rücken zu jagen und prägten mit ihrer dunklen, unheimlichen Atmosphäre ein ganzes Genre. Auch heute vermögen es Vampir-Geschichten noch zu begeistern. Für die SteierMag-Film-Empfehlungen für Halloween, klicken Sie hier!

Wissenschaftliche Quellen:
Kapitel “Uncanny Styria” von Patrycjusz Pająk
Buch “Dracula and the Eastern Question” von Matthew Gibson