Hugo Schuchardt ist eine der großen Figuren der Sprachwissenschaft. Seine Villa in Graz hat er seiner Mutter gewidmet – und sein Herz dort einmauern lassen?! Zum Muttertag begibt sich SteierMag auf die Spuren des eigensinnigen Linguisten, der seine Mutter so über alles schätzte.

Hugo Schuchardt (1842-1927) (Foto aus seinem Nachlass)

Auch weit über seinen Tod im Jahr 1842 ranken sich um Hugo Schuchardt noch Legenden und Geschichten, die sich meist auf seine außergewöhnliche, oft unerwartete Lebens- und Wesensart beziehen. Über viele davon wissen wir durch das Ehepaar Mairhuber, das Schuchardt so nah stand, dass es gemeinsam mit ihm in seiner Grazer “Villa Malwine” wohnte. So erzählte Franz Mairhuber etwa in einem Brief, dass Schuchardt des Nachts stets von ihm eingeschlossen werden wollte und er den Schlüssel an sich zu nehmen hatte.

Das Mutterherz…

Seine Mutter gilt als die einzige Frau, der sich Schuchardt Zeit seines Lebens verbunden fühlte. Seine Villa in der Grazer Johann-Fux-Gasse erbaute er nach ihrem Tod und benannte sie nach ihr: Malwine. Sie prägte seinen Charakter und stand auch nach Schuchardts Umzug nach Graz in regem Briefkontakt mit ihm. “Ich gehe sicherlich nicht fehl, wenn ich hinzufüge, Sch. genoß durch seine Mutter eine höfische Erziehung”, schreibt Mairhuber in einem Brief. Verstorben war Malwine an einer Herzlähmung in ihrer Heimat, der deutschen Stadt Gotha.

…und das Herz des Linguisten

Hugo Schuchardt vor der Villa Malwine, die zur Zeit ihrer Erbauung aufgrund des damals innovativen Flachdachs aus den anderen Gründerzeit-Villen hervorstach (Foto aus seinem Nachlass).

Um das Herz rankt sich auch die wohl bekannteste Legende um Hugo Schuchardt: Der Linguist soll nämlich verfügt haben, dass man ihm das Herz nach dem Tod entnehme. Dieses soll schließlich in einem Kelch in der Villa aufbewahrt worden sein. Nach intensiver Geruchsentwicklung soll es schließlich in den 1950er Jahren zur bereits eingemauerten Urne in einen Hohlraum zwischen den Fenstern in der westseitigen Wand im ersten Stock der Villa gestellt worden sein – so habe der Linguist auch im Tod sein Herz bei seiner Mutter Malwine.

Die Wahrheit hinter der Legende

Nach seinem Tod kam die Villa Malwine in den Besitz der Universität Graz, der Schuchardt sein gesamtes Erbe überließ. Obgleich er als Frauenschwarm bekannt war, war Schuchardt nie verheiratet und hatte auch keine Kinder. Der Mythos um sein Herz setzte sich so hartnäckig durch, dass sie selbst im offiziellen “Uni Graz Guide” wiederholt wird, der berichtet, dass das Herz dort später aufgefunden wurde. Tatsächlich schreibt Mairhuber in einem Brief, Schuchardt hätte sich von ihm gewünscht, seine Asche im Garten der Villa zu verstreuen – ein Wunsch, dem Mairhuber zum Zeitpunkt des Briefs – ein Jahr nach Schuchardts Tod – nicht zu folgen gedachte. Zu seinem Herz schreibt er nichts. Beweise für den Fund des Herzens gibt es wohl auch nicht. Dennoch: Wer kann sagen, was wir fänden, würden wir jetzt die Wand zwischen den Fenstern in der westseitigen Wand im ersten Stock der Villa Malwine durchbrechen?

Die Villa Malwine heute

Schuchardt gilt als Begründer der Kreolistik, jenen Bereich der Sprachwissenschaft, die sich mit Kontaktsprachen in Kolonialgebieten beschäftigt. Die Universität Graz nutzt die Villa Malwine heute als Sitz von treffpunkt sprachen, dem Zentrum für Sprache, Plurilingualismus und Fachdidaktik. Das Institut für Sprachwissenschaft veranstaltet darüber hinaus heuer – im Jahr seines 180. Geburtstags – von 27. bis 29. Juni 2022 “Ein Fest für Schuchardt”, bei dem auch die Villa Malwine im Zuge einer Führung begangen wird und ein abendliches Fest im ihrem Garten gegeben wird.

Die Quellen zum Weiterschmökern: Hugo Schuchardt Archiv