Einst lebte in der Nähe der Ortschaft Gams ein armer Hirtenjunge, der für seinen Herrn jeden Tag die Schafe auf die Weide trieb. Dass ein Bergmännchen mit einem Schlag sein ganzes Leben ändern sollte, das konnte zu Beginn dieser Geschichte noch niemand erahnen.

Der Hirtenjunge saß eines Tages gedankenverloren am Rande der Weide, auf dem die Schafe seines Herrn weideten. “Ach, wäre ich nur reich, dann würde man mich viel besser behandeln!”, dachte er sich. Seine Eltern gaben ihn kurz nach seiner Geburt an einen Gutsherrn in Gams ab, doch dieser sah in ihm immer mehr eine Last. So verbrachte er den restlichen Nachmittag in Gedanken versunken – bis er bemerkte, dass sich die Schafherde zerstreut hatte.

Große Suchaktion

Er sprang sofort auf und fing an, nach den weggerannten Tieren zu suchen. Dabei kam er an einer Felswand vorbei, in der eine Tür eingelassen war. Davor stand eine kleine Gestalt mit einem silbernen Bart und goldgelben Gewand. Das Bergmännchen bot mit freundlichem Lächeln an, dem Hirtenjungen bei seiner Suche zu helfen. Doch in Panik vor dem Zorn seines Herrn und Verwunderung lehnte er ab und rannte schnell weiter.

Die Nacht brach herein und der Junge hatte noch immer keines der Schafe gefunden und übernachtete mit anderen Hirten auf einer Wiese. Am nächsten Tag wachte er auf und wurde sogleich mit seinem schlechten Gewissen geplagt. Da er noch immer keinen Erfolg mit seiner Suchaktion hatte, kehrte er zur Felswand zurück.

Bergmännchen
Irgendwo im Salzatal liegt angeblich das Versteck des Bergmännchens [Foto: © STG | Atelier Jungwirth / Elmar Gubisch]

Was im Inneren verborgen lag

Der Junge hatte Glück: das freundliche Männchen war noch immer dort. Der Hirte entschuldigte sich hastig, und das Bergmännchen nahm es dankend an. Er bot wiederum seine Hilfe an, dieses Mal traten sie zusammen durch die Tür. Dahinter befand sich ein prunkvoller, hoher Saal nach dem anderen. Jeder war bis zur Decke mit Schätzen und Münzen gefüllt, der Hirtenjunge konnte sich an ihnen fast nicht sattsehen. Am Ende ihrer Tour kamen die beiden in einen kahlen Raum, in dem lediglich ein Haufen rostiger Nägel lagen. Das Bergmännchen bot ihm an, so viele davon mitzunehmen, wie er tragen könne. 

Etwas enttäuscht füllte der Junge seine Taschen bis obenhin voll. Ein kleiner Teil des Goldes wäre ihm wesentlich lieber gewesen, doch er tat es, weil er das Bergmännchen nicht verärgern wollte. Der Fremde hatte ihn nämlich zu einer zweiten Tür geführt, die ihn zu den verlorenen Schafen führen sollte.

Seine Belohnung

Das Bergmännchen hatte den Hirtenjungen in der Nähe von Eisenstadt wieder aus dem Berg geführt. Nachdem er nach dem Weg zurück nach Hause gefragt hatte, machte er sich sogleich auf die Heimreise, teilweise direkt an der Salza entlang. Unterwegs bewunderten ihn Mitreisende ihn für seine edle Kleidung. Anfangs war er sehr verwirrt, doch als er an sich herabblickte, sah er, dass sein Gewand mit feinem Goldstaub bedeckt war. Auch die alten Nägel in seinen Taschen hatten sich in Goldmünzen verwandelt. Mit diesem neu gewonnenen Reichtum kehrte er wieder auf den Hof seines Gutsherrn zurück. Der Junge rechnete mit einer Strafe, doch der Bauer war nur heilfroh, dass sein Schützling wieder heil zurückgekehrt war.

Sie müssen nämlich eins wissen: Für den Hirtenjungen waren lediglich zwei Tage vergangen, für alle anderen in Gams jedoch sechs lange Wochen. Von nun an führte er ein erfülltes und glückliches Leben. Die Schafe waren aber schon am selben Tag seines Aufbruchs sicher zum Gutsherrn zurückgelaufen.
Er ging auch ein letztes Mal zur Felswand zurück, an der er das Bergmännchen beim letzten Mal gesehen hatte. Doch weder das großzügige Männchen noch die Tür waren mehr dort. Das Einzige, was ihm bis an sein Lebensende blieb, war seine Dankbarkeit.

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