capito ist ein Grazer Unternehmen, das seit bald 20 Jahren Übersetzungen in leicht verständliche Sprache anfertigt. Erfahren Sie, warum zugängliche Texte nicht nur für Personen mit Behinderung relevant sind und wieso soziale Unternehmungen auch kommerziell sein dürfen.
„Für Leute mit Lernschwierigkeiten wirkt Information, die sie nicht verstehen, wie Stiegen für eine Rollstuhlfahrer. Endstation.“ Klaus Candussi ist gemeinsam mit Walburga Fröhlich Gründer von capito und weiß, dass Zugang zu Information der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben ist. Doch leicht verständliche Texte sind bei Weitem nicht nur für Menschen mit Behinderung relevant. „Wir arbeiten an einem Mainstream-Problem“, erklärt Candussi. Der Großteil der Bevölkerung habe ein Sprachlevel, das knapp unter der Schwierigkeitsstufe von Boulevardzeitungen liege. Informationen von Firmen, Behörden und Qualitätsmedien kommen also bei den meisten Menschen nicht an. „Das verursacht auch Kosten“, seufzt Candussi – denn Kunden wählen lieber Firmen, deren Angebot sie verstehen.
capitos „Leichtes Lesen“-Standard hat sowohl optische als auch sprachliche Anforderungen und hebt sich dadurch ab, dass es zielgruppenspezifisch arbeitet. So muss beispielsweise bei fußballaffinen Jugendlichen mit Lernschwierigkeiten das Wort „Foul“ nicht vermieden werden, auch wenn es ein Fremdwort darstellt. Ob die Übersetzung gelungen ist, wird anschließend durch eine Prüfgruppe kontrolliert, die aus VertreterInnen eben jener Zielgruppe besteht. Die „Leicht Lesen“-Version von Texten kann mithilfe eines QR-Codes und der capito-App abgerufen werden. Dabei kann aus drei verschiedene Schwierigkeitsstufen ausgesucht werden.
capito ist ein Social Business, also ein soziales Unternehmen, das wirtschaftlich selbsterhaltend ist. Die Kritik, dass Wirtschaft im Sozialbereich nichts verloren hätte, weist Candussi zurück. Denn durch die künstliche Intelligenz könne capito in ein paar Jahren automatisiert übersetzen. “Die Entscheidung, capito als Business-Modell zu machen, bringt uns hier hin.“ Denn capito sei nicht auf Subventionen angewiesen wie ähnliche Projekte in anderen Ländern.
Ob Wahlprogramme, Broschüren von Kulturveranstaltungen, Werbung oder Bücher – Information ist gesellschaftliche Teilhabe. Sie auf eine Weise darzubieten, die nur von einer beschränkten Elite verstanden werden kann, trägt dazu bei, andere Menschen von Wissen fernzuhalten. „Das ist eine gewisse Form von Arroganz“, stellt Candussi fest. „Eine inklusive Gesellschaft nützt nicht den Randgruppen, sondern sie nützt uns allen.“
Text adaptiert von “Verstehen Sie diesen Text?”, MEGAPHON #286, Dezember 2019