Für eine Spielfilmlänge im Dunkeln sitzen und von nichts anderem als Sauerteig, Mutter, Kruste oder Teigling hören? Klingt komisch, ist es aber nicht – wenn eine Doku über Brot, wie jene von Harald Friedl, so gut gemacht ist, dass man das Backwerk im Saal schier riechen kann. Eine ganz große Sehempfehlung inklusive Warnung, denn Obacht: Sie werden von richtig gutem Baguette und Co. nicht nur nachts träumen, sondern es schon im Kinosaal essen wollen.
„Brot ist das Natürlichste auf der Welt.“ So wie im Dokumentarfilm angesprochen war es lange einmal, ist es aber in Zeiten von Backmischungen, künstlichen Zusätzen und maschineller Erzeugung schon längst nicht mehr. Deshalb fühlte es sich für Regisseur Harald Friedl auch wie das Natürlichste auf der Welt an, sich dem Thema dokumentarisch in Spielfilmlänge anzunähern. Zudem war Brot für ihn schon von Kindesbeinen an etwas sehr Wichtiges: „Ich werde nie vergessen, wie der Großvater immer den großen Laib Schwarzbrot mit einem Messer zur Brust hin geschnitten hat.“
Diese Verknüpfung zwischen einer ganz bestimmten Person und dem Thema Brot ist es dann auch, die seinem Film den roten Faden gibt: Da ist Brigitte Öfferl aus dem Weinviertel, die in den 1980ern zunächst auf den Backmischungstrend aufsprang, aber schnell erkannte, dass das Handwerk so seine Daseinsberechtigung verliert und die heute mit ihrer Familie eine Biobäckerei führt. Karl de Smedt, der Hüter der Sauerteigbibliothek des belgischen Backmittelherstellers Puratos, wo man auf Basis umfassender Analysen mit Enzymen Sauerteigprodukte aus aller Welt industriell reproduziert. Apollonia Poilâne, die in dritter Generation die französische Traditionsbäckerei führt und wo man wie einst in Gründungstagen auch jetzt noch je nach Bedarf auch nur ein oder zwei Scheiben Brot fürs Abendessen kaufen kann. Oder „Harry-Brot“-Eigentümer Hans-Jochen Holthausen, der als Erfinder des „Prebake“-Systems mit halbgefrorenen und –gebackenen Teiglingen gilt und mit seinem Unternehmen 30 Prozent des deutschen Brot-Marktes abdeckt.
So vielschichtig wie die Charaktere sind auch die Aspekte zum Thema Broterzeugung, die der Filmemacher mit seiner Arbeit abdeckt – er geht in die kleine Bäckerei am Pariser Canal Saint-Martin genauso wie an die große Backstraße in Hamburg, auf das Bio-Getreidefeld in Niederösterreich genauso wie zur Forschungsstelle für Umwelttoxologie in Stockholm. Und deshalb ist es auch kein Film mit erhobenem Zeigefinger. Friedl mahnt nicht, aber er macht aufmerksam, darauf, dass man als Konsument immer eine Wahl hat – beim Kaufen im Allgemeinen und beim Brotkaufen im Speziellen.
„Brot“ von Harald Friedl feierte seine Weltpremiere im Grazer KIZ Royalkino als Vorpremiere der Diagonale, dem Festival des österreichischen Films, das von 24. bis 29. März in Graz stattfindet. Der Film läuft ab sofort in österreichischen Kinos.