Es heißt, dass sich alle hundert Jahre an zwei Gelegenheiten das blaue Türl in einer Felswand in der Nähe der Gemeinde Oberwölz öffnet. Einmal zur Sommersonnenwende und einmal am Palmsonntag, während der Pfarrer die Passion betet.
Der mysteriöse blaue Eingang führt laut vielen Geschichten aus dem Volksmund in eine Höhle voller Schätze. Angeblich hängen goldene Zapfen von der Decke, die Wände bedecken funkelnde Edelsteine. Der ganze Raum soll mit Kostbarkeiten gefüllt sein – die sich aber nicht jedem offenbaren. Nur dem, der reinen Herzens ist und noch nie auch nur an eine Sünde gedacht hat, wird sich die Tür für kurze Zeit öffnen. Hier sind zwei Geschichten, als sich das blaue Türl doch auftat.
Der Bauer, der immer an andere denkt
Einst lebte ein Bauer in der Gemeinde Schöttel, der stets auf seine Mitmenschen achtete. Er war so darauf bedacht, anderen zu helfen, dass er bald selber kein Geld mehr hatte. So wanderte er am Palmsonntag verzweifelt umher und setzte sich in der Nähe der Felswand hin. Plötzlich hörte er eine merkwürdige Stimme rufen:
“Hast das Bründl neben dir und wäscht dich nicht!”
Verwundert schaute er sich um und entdeckte die offene blaue Tür vor sich! Zuerst wollte er gleich hineingehen, aber der Gedanke an die fremde Stimme hielt ihn davon ab. So ging er zu dem Bach ganz in der Nähe und wusch zuerst sein Gesicht und seine Hände. Danach ging er gleich zurück zur Öffnung in der Felswand. Währenddessen hörte er jedoch die Kirchenglocken läuten: die Passion war zu Ende und das Türl verschloss sich wieder, bevor er hineingehen konnte. Da meldete sich die Stimme aus dem Fels wieder: “Zu spät!” Trotzdem fiel dem Bauern aus dem Nichts ein Barren Gold vor die Füße. Mit diesem ließ er ganz in der Nähe eine Kirche bauen und half von da an wieder den Hilfsbedürftigen. Er hatte auch nie wieder Geldprobleme – bis an sein Lebensende.
Der fromme Schafbauer
Eines anderen Tages, genau zur Sommersonnenwende, saßen einige Bauern zusammen beim Abendessen. Da sahen sie ein herumlaufendes Schaf vor dem Hof. Verwundert machte sich ein Bauer auf, das Tier wieder einzufangen. Erst dachte er, es wäre eines seiner Schafe aus dem Stall, doch bei näherer Betrachtung musste es jemand anderem gehören. Er nahm sich vor, es so schnell wie möglich einzufangen, um es am nächsten Tag seinem Besitzer zurückzubringen.
Doch das Schaf wollte sich nicht einfangen lassen. So lief es bis zur Felswand, in der das blaue Türl lag, mit dem entschlossenen Bauern im Schlepptau. Als sie bei der Felsöffnung angelangten, stand die Tür weit offen. Das Tier sprang munter hinein, während der Bauer erstaunt und verwundert vor dem Eingang stehen blieb. Da erlangen von seinem Dorf her die Kirchenglocken und sogleich schloss sich die Türe wieder. Noch immer verwirrt von der seltsamen Situation ging er zurück auf seinen Hof. Dort erzählte er, was er erlebt hatte, und die anderen versicherten ihm: das war das beste Zeichen dafür, dass er wahrlich eine gute Seele war.
Ob heuer wieder 100 Jahre vergangen sind? Wir werden es wahrscheinlich nicht erfahren. Sie können aber noch mehr über andere Sagen lesen, bei denen sich eine gute Seele als hilfreich erwiesen hat!