Durch den Einzug des steirischen Onlinehandelsunternehmen Niceshops Ende Oktober wird dem Roseggerhaus neues Leben eingehaucht. Ein Rückblick auf die teils verruchte, teils grandiose Vergangenheit des einstigen Monumentalbaus.
Ab dem 18. Jahrhundert – über 100 Jahre vor dem Bau unseres Roseggerhauses –stand an der Ecke der Annenstraße der Stadthof des Stifts Neuberg an der Mürz. Als dieser stillgelegt wurde, wurden Soldaten dort untergebracht und das bescheidene Gebäude als Militärsammeltransporthaus genutzt. Während der angespannten Zeit der Revolution von 1848 wurde das Gebäude mit einer bezinnten Mauer bestückt und galt – wohl aufgrund seiner schlechten Hygienebedingungen – als verrucht.
1913 entstand schließlich an seiner Stelle das heutige Roseggerhaus. Als erster Stahlbetonbau in Graz mit beeindruckenden Dimensionen und reichen Verzierungen war es für die damalige Zeit ein modernes und repräsentatives Gebäude, das die Annenstraße aufwertete und die Urbanisierung der einstigen Prachtstraße vorantrieb. Der grandiose Baustil entsprach allerdings eher dem Zeitgeist, als Roseggers eigener Ästhetik; Historiker Karl Albert Kubinzky mutmaßt, dass die Namensgebung wohl als “Trostpreis” verstanden werden kann, nachdem Peter Rosegger 1913 zum Ärger vieler Steirer der Literaturnobelpreis verwehrt blieb.
In den oberen Geschoßen war ab 1918 das Café Rosegger, das damals einzige Grazer Café mit zwei Stockwerken einquartiert. Über dem Kleidergeschäft “Albert Kern” konnten hier Kabaretts besucht werden, in denen unter anderem der bekannte Karl Farkas auftrat. In der NS-Zeit folgte die Umbenennung in Café Rheingold – ein Name, der bis zur Schließung des Cafés erhalten blieb. Nach Ende des 2. Weltkriegs nahm die Kleinkunstbühne “Der Igel” hier ihren Betrieb auf und konnte nun auch gesellschaftskritische Kabaretts aufführen. Der Andrang war enorm und die 303 Plätze des Lokals fast immer voll. Über die nächsten Jahrzehnte folgten das Autohaus Opel, an dessen ausgestellte Autos im Erdgeschoß sich vielleicht noch mancher Leser erinnern kann, das Elektronikgeschäft Quelle, ein Kleider Bauer und als Letztes die SEWA-Filiale. Nach einigen Jahren Leerstand plante schließlich die Supermarktkette HOFER in die Geschäftsräume einzuziehen, wurde aber von der Konkurrenz im selben Gebäude aus dem Vorhaben gedrängt.
Am 21. Oktober 2021 zogen nun die etwa 200 Mitarbeiter des steirischen Onlinehandelsunternehmen Niceshops in ihren neuen Firmensitz im Roseggerhaus. Rund drei Millionen Euro hat das Unternehmen in die Renovierung investiert, erzählt Co-Geschäftsführer Christoph Schreiner, der sich nicht nur über das Potenzial für eine Belebung der Annenstraße, sondern auch über die gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr für seiner Mitarbeiter freut. Die Geschäftsfront wurde von dem Konzept der geplanten HOFER-Filiale übernommen, und ist nun eine einheitliche, moderne Glasfassade – ein passendes Update für den einst als zukunftsweisend empfundenen Bau.