Hermann Schützenhöfer ist mit Leib und Seele Landeshauptmann. Er gilt als letzter Landesvater unter den Landeschefs. Für unser Schwestermedium Fazit befragten wir ihn über seine politischen Ideen, über seine Herausforderer bei der Landtagswahl und über seinen persönlichen Antrieb. [Fotos: Erwin Scheriau]
Herr Landeshauptmann, Sie galten nie als Fan von Wahlvorverlegungen. Warum wählen wir schon jetzt im November 2019 statt erst im Mai 2020?
Mir ging es vor allem um einen kurzer Wahlkampf. Ich wollte nicht, dass wir von März 2019 bis Mai 2020 wahlkämpfen – Europawahl, Nationalratswahl und dann die Landtagswahl. Ich habe daher nach dem Wahlbeschluss, der dank der Stimmen der FPÖ, der Grünen und uns eine Zweidrittelmehrheit hatte, für den gesamten Oktober eine Wahlkampfpause ausgerufen. Ein langer Wahlkampf schadet dem Land.
Was tun Sie jetzt im November, was Sie im Oktober nicht getan hätten?
Persönlich bin ich sowieso Tag und Nacht im Lande unterwegs. Ich mache keinen Schichtwechsel, sondern ich arbeite durch. Aber jedes Wort, das im Wahlkampf gesagt wird, wird analysiert und kommentiert. Ein ruhiges Arbeiten ist da kaum möglich.
Sie werden jetzt doch andere Termine haben als wie wenn keine Wahlen wären.
Natürlich gibt es jetzt mehr Parteitermine. Aber grundsätzlich unterscheide ich nicht zwischen den Terminen. Der Wahlkampf ändert auch nicht viel im zeitlichen Einsatz. Immer unterwegs zu sein, ist mein Leben. Für mich ist es entscheidend, draußen bei den Leuten in den Gemeinden zu sein, um zu wissen, wie es den Menschen geht. Ich bekomme bei diesen Terminen mit, wie die Menschen denken, was sie wollen und was sie tun. Das ist eine gute Grundlage für mein Tun.
Herr Landeshauptmann, Sie gelten als der letzte Landesvater unter Österreichs Landeshauptleuten – als Vertreter der schwarzen ÖVP. Wie geht es Ihnen mit dem neuen türkisen Anzug der ÖVP?
Ich unterstütze den erfolgreichen Weg der ÖVP auf Bundesebene natürlich voll und ganz. Es ist immer gut, wenn man sich nach Jahren und Jahrzehnten des Wirkens fragt, was man eigentlich verbessern kann, um nicht in die Jahre zu kommen und verstaubt zu wirken.
Allerdings hat unter der letzten Regierung auch das Erfolgsmodell der Sozialpartnerschaft dran glauben müssen. Was halten Sie von dieser Demontage?
Ich würde das nicht als Demontage bezeichnen, sondern als Neukonstruktion. Vor allem der Sozialversicherungsträger und der Krankenkassen. Die Sozialpartnerschaft mit den Kammern, Gewerkschaften und Industrie ist, wie sie war und wird so bleiben, weil man gesetzlich vermutlich nicht eingreifen kann. Und wenn, dann nicht in allen Bereichen.
Ihr Stellvertreter und Herausforderer Michael Schickhofer von der SPÖ ortet im früheren Wahltermin sogar einen Koalitionsbruch. Ist ÖVP-SPÖ damit in der Steiermark längerfristig Geschichte?
Nein. Wir reden ja meistens ordentlich miteinander und es war auch in den letzten Wochen so, dass wir in den großen Fragen die Zusammenarbeit forcierten.
Ihr Vorgänger Franz Voves hat sich Wahlvorverlegung drastischer geäußert als Michael Schickhofer. In einem offenen Brief formulierte er, sehr von Ihnen enttäuscht zu sein, und warf Ihnen reine alte parteipolitische Machtpolitik vor. Außerdem stellt er mehrmals eine Frage, die wir Ihnen auch stellen möchten: »War es das wirklich wert?«
Ich habe mich mit ihm ausgesprochen. Eine Freundschaft muss das aushalten. Ich würde keinschlechtes Wort über ihn verlieren. Ich richte den Blick immer in die Steiermark und auf die Steiermark, nicht auf die ÖVP oder die SPÖ. Wir reden hier von fünf Monaten, die wir früher wählen. Wir wollen einfach schneller wieder durchstarten können.
Die Aussprache mit Franz Voves war so erfolgreich, dass Ihr Verhältnis wieder intakt ist?
Es braucht seine Zeit, aber ein Bruch, der nicht zu kitten ist, hat nicht stattgefunden.
Die Grünen haben bei der Nationalratswahl massiv zugelegt. Hat die ÖVP das Klimathema falsch eingeschätzt?
Wir müssen mit Blick auf die Welt sagen, dass wir alleine verdammt wenig tun können, um die Erwärmung zu stoppen, aber wir haben als Forschungsland einige Dinge entwickelt, die in anderen Ländern helfen, CO2 zu vermindern. Wir müssen natürlich unser Bewusstsein ändern und darauf drängen, dass die Menschen in den Kaufhäusern Produkte kaufen, die der heimische Markt hergibt.
Was meinen Sie da konkret?
Zu uns gelangen heute Container mit Teig aus Asien, aus dem steirische Semmeln hergestellt werden. Wir haben Spargel in Zeiten, in denen es diesen bei uns nicht gibt. Wenn wir essen, was es bei uns gibt, sind wir auch sehr gut und noch dazu klimafreundlich ernährt.
Was halten Sie von der Steuer auf Kohlendioxid?
Sebastian Kurz hat meine volle Unterstützung, wenn er die CO2-Steuer auf europäischer Ebene fordert. Eine Ananas aus Costa Rica muss teurer sein als ein steirischer Apfel. Ich bin gegen nationale Einzelgänge bei CO2-Steuern, weil sie vor allem die Bevölkerung im ländlichen Raum belasten, die nicht zu den Großverdienern gehören. Aber wir müssen die Chancen der Digitalisierung für den ländlichen Raum ergreifen und Arbeitsplätze in der Region erhalten und ausbauen. Dann wird weniger in die Zentren gependelt und der CO2-Ausstoß reduziert. Der Glasfaserausbau ist dafür unerlässlich und ich werde diesen Ausbau auch in Zukunft weiter vorantreiben. Ich schlage außerdem eine Klimaprämie zur Förderung von Investitionen zur Emissionsreduktion vor.
Wäre Schwarz-Grün für Sie denkbar nach der Wahl, so es die Stimmenverhältnisse zulassen?
Es ist eine charmante Variante. Wie aber auch eine Koalition mit den Freiheitlichen oder der SPÖ. Ich bin weit davon entfernt, jemanden auszuschließen, bevor die Wähler gesprochen haben. Ja, die Voraussetzungen, wieder stärkste Kraft zu werden, was wir zurzeit nicht sind, sind gut. Aber wir haben keinen Proporz mehr, auch wir könnten liegen bleiben. Wobei eine große Umwälzung für Schwarz-Grün nötig wäre.
Die Pläne für ein Leitspital im Bezirk Liezen sind zum Wahlkampfthema geworden. Alle Experten sagen, es sei notwendig, die FPÖ war stets dagegen und die SPÖ knickt gerade ein, Sie halten unnachgiebig daran fest. Warum?
Das war eine gemeinsame Initiative der gesamten Landesregierung und aller Verantwortlichen im Gesundheitsbereich. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Gesundheitsreform in der nächsten Periode gemeinsam zu Ende bringen müssen.
Selbst gegen den Wunsch der Bevölkerung?
Das ist doch vor allem eine Frage der Kommunikation. Als wir in Voitsberg die Gebärstation geschlossen haben, sind die Menschen mit Kindersärgen im Landtag gesessen. Die Wahrheit ist doch, dass die Frauen dort nicht mehr entbunden haben, weil ihnen das Vertrauen fehlte. Und statt in Schladming entbinden die jungen Schladmingerinnen heute lieber in Schwarzach in Salzburg. Darin begründet sich die Notwendigkeit für ein Leitspital. Wir können nicht länger in allen Krankenanstalten dasselbe anbieten, sondern wir brauchen Leitspitäler und Gesundheitszentren. Wir sind auf dem richtigen Weg. Natürlich ist das einem Rottenmanner schwer zu erklären, wenn er sein Krankenhaus nicht mehr vor der Haustür hat. Aber schon heute werden die Patienten in vielen Fällen nach Graz in die spezialisierten Krankenhäuser geflogen.
Viele Unternehmen in der Steiermark tun sich schwer, Arbeitskräfte zu finden. Was kann man dagegen tun?
Ich glaube, dass über alle Parteigrenzen hinweg klar sein muss: Wenn Menschen Arbeit haben und die Gehälter einigermaßen sozial gerecht verteilt sind, ist die soziale Ordnung im Lot. Daher ist die Schaffung von Arbeitsplätzen ganz wichtig. Es ist und bleibt aber ein Faktum, dass wir nur sehr mühsam die Bewusstseinsänderung in Gang bringen, dass Lehrling zu sein etwas durch und durch Positives ist. Unsere Facharbeiter sind nicht die dritte Klasse, sondern die erste Wahl. Und Gott sei Dank ist die Zahl der Lehrlinge zuletzt wieder gestiegen. Das ist doch toll.
Sie haben angekündigt, Sie wollen volle fünf Jahre als Landeshauptmann durchhalten. Bleibt es dabei?
Man ist auf fünf Jahre gewählt. Ich habe immer gesagt, der Herrgott und die Gesundheit haben ein Wörtchen mitzureden, aber ich bin mit Leib und Seele dabei.
Herr Schützenhöfer, vielen Dank für das Gespräch!
Hermann Schützenhofer wurde am 29. Februar 1952 im niederösterreichischen Edlitz geboren. Er zog nach der Pflichtschule mit seiner Familie nach Kirchbach, wo er eine Kaufmannslehre absolvierte und nebenbei unter anderem für die Kleine Zeitung journalistisch arbeitete. Mit 18 Jahren trat er bereits in die Junge Volkspartei als Landessekretär ein und machte in den 1980er-Jahren von sich reden, weil er entgegen der Parteilinie für eine Gesamtschule sowie einen Mindestlohn für alle eintrat. 2005 übernahm er nach der Wahlniederlage die Führung der ÖVP. Seit 16. Juni 2015 ist er Landeshauptmann der Steiermark.