Im „la Mur“ auf dem Grazer Schloßbergplatz findet man innen drinnen das, was außen draufsteht: ein rundum authentisches Bistro. Gerald Hafner und Michael Pendl haben dort eines der raren französischen Lokale geschaffen, in dem Franzosen ein Stück Heimat in der Ferne finden, Menschen mit Bezug zum “Hexagone” ihr Fernweh stillen und Frankreich-Neulinge bislang Unbekanntes ausprobieren können.
„Avant toi“: Kein geringeres als das erst vor drei Wochen zum französischen Chanson des Jahres gewählte Lied bildet an diesem Abend die musikalische Kulisse im „la Mur“. Das Duo Vitaa und Slimane singt darin von einer Zeit davor. Und während man am Fuße des Schloßbergs bei einem Glas Rosé aus dem Pays d’Oc und einer Planche mixte, der so typischen gemischten Platte mit Käsevariation, Salami und Paté, sitzt, fragt man sich, wie die lange Zeit, ehe es endlich wieder ein „echtes“ französisches Lokal in Graz gab, überhaupt möglich war.
Das fragten sich wohl auch die „la Mur“-Inhaber Gerald Hafner und Michael Pendl. Die Idee, selbst ein Lokal in Blau-Weiß-Rot zu eröffnen, kam den beiden erstmals, als zu Jahresbeginn 2016 ein anderes seine Pforten schloss. Pendl erzählt: „Das ,Ma France’ von Yvan in der Neutorgasse war wie unser Wohnzimmer. Als es zugesperrt hatte, hat einfach etwas gefehlt.“ Der Bedarf aufgrund der für eine Stadt wie Graz relativ großen französischen Community – mehr als 500 Franzosen leben allein per Hauptwohnsitz in Graz – sei immer da gewesen, aber eben einfach kein echtes Angebot. Hafner dazu: „Es hat ein paar Versuche gegeben, bei denen man sich anfangs gefreut hat. Aber dann ist man immer wieder enttäuscht worden.“
Ohne Aperol Spritz und Hugo
Nur weil man auf ein Lokal draußen Bistro raufschreibe oder ein paar französische Weine habe, sei man noch lange keines. Aber was braucht es denn? Hafner dazu: „Für mich zuallererst einen echten Kir, meistens wird er mit dem falschen Wein gemacht. Dann natürlich eine schöne Auswahl an guten französischen Weinen inklusive Crémant. Kleines, aber gutes Essen, das man ständig auf der Karte hat. Und dann immer wieder etwas Neues, wie momentan unseren Sommer-Cocktail ,June’ mit Gin-Likör, der nach Weinbergpfirsich schmeckt.“
Zudem sei es laut Pendl wichtig gewesen, sich bewusst von Dingen zu distanzieren, die es überall gebe. So sucht man auf der Karte etwa Aperol Spritz oder Hugo vergebens. „Es passiert immer wieder, dass Gäste danach fragen, aber dann muss man ihnen eben einfach eine gute Alternative bieten“. Wie etwa den „Escalier“ (deutsch: Stiege) mit Crémant, einem Rosmarinzweig und Schweppes Agrumes mit Grapefruit-Orange-Limette-Mandarine-Geschmack, das es in Österreich nicht gibt und das extra aus Frankreich importiert wird.
Apropos Import: Der ist bei manchen Produkten weitaus schwieriger als vermutet. So etwa bei einem Aushängeschild des Lokals, den Jahrgangssardinen. Ehe die Spezialität, die mit gemeinem Dosenfisch so gar nichts gemein hat, auf Grazer Tellern landen konnte, mussten erst zähe Verhandlungen mit der bretonischen Marke „la belle-iloise“ geführt werden. „Die sind unfassbar streng und verkaufen normalerweise nur an Geschäfte, die ausschließlich die Sardinen anbieten. Wir mussten Fotos vorlegen, wie wir alles präsentieren, und die Idee unseres Bistros beschreiben. Das hat ihnen dann so gefallen, dass wir schlussendlich doch die Zusage bekommen haben”, erzählt Pendl.
Die Liebe steckt im „la Mur“ übrigens nicht nur im Wortspiel des Namens, vielmehr auch in unglaublich vielen Details. Jedes Dekoelement ist nicht nur schlicht Deko sondern ein Reisemitbringsel, die für die französische Gastronomie charakteristischen Rechnungsschälchen kommen aus Straßburg, die Picknickkörbe aus einem Kloster in Saint-Émilion – und sogar das Mehl für die Baguette ist französisch. Pendl erklärt: „Das Mehl macht den Unterschied, es ist feiner heruntergemahlen als bei uns. »
Noch dazu sei das Mehl nicht nur französisch, es gehe auch durch ebensolche Hände: „Ein französischer Bekannter von uns, der Bäcker ist und in Graz lebt, macht uns Baguette, Croissant und Pain au chocolat.“ Pendls Schwester Sabine, ausgebildete Köchin und Mitarbeiterin im Bistro, kommt vor allem bei Süßspeisen wie Tarte au citron meringuée, Éclair au chocolat oder aufwendigeren Gerichten wie Cassoulet oder Bœuf bourguignon ins Spiel. Und weil die Baguette auch zum Mitnehmen gedacht ist, kann man sich damit in den Straßen von Graz einen der, laut Schriftsteller Philippe Delerm, größten kleinen französischen Glücksmomente bescheren: die Spitze des Brotes abbrechen und es schon unterwegs zu essen beginnen.
Mit Kulinarik und Kultur
In Zukunft solle es nicht dabei bleiben, dass im „la Mur“ nur Kulinarisches serviert wird – man wolle das Angebot unbedingt um Kultur erweitern. Hafner, der insgesamt fünf Jahre zum Studieren und Arbeiten im Land verbrachte und auch vor der Lokaleröffnung an anderen Orten in Graz schon lange Zeit regelmäßig französische Kulturveranstaltungen organisierte, erzählt: „Corona hat uns da leider einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es wäre schon längst vieles geplant gewesen, von der Buchpräsentation bis zur wöchentlichen Französischstunde.“
Zumindest kurzfristig lassen sich aber auch jetzt Veranstaltungen planen. So wird es etwa, aufgrund der vielen Anfragen der französischen Community in Graz, am 14. Juli eine kleine, aber feine Feier zum Nationalfeiertag geben: mit Marseillaise und Pâtisserie in Blau-Weiß-Rot. Und – zwar noch ohne fixen Termin, aber fix in diesem Sommer – einen „Galette&Cidre“-Abend.
An diesem Abend gesellen sich zu Vitaa und Slimane übrigens auch noch Amir mit seinem Chanson „Longtemps“, und natürlich Patrick Bruel. Und man wünscht dem Lokal, dass es sich lange halten – und sich selbst, dass man bald wiederkommen möge. À tout à l’heure!
Französischer Nationalfeiertag in Graz: Di., 14. Juli, ab 17 Uhr, „la Mur, Schloßbergplatz, Sackstraße 20, 8010 Graz, Tel. (0316) 81 28 69